Von vier, drei und zwei Beinen – Leben im Mehrgenerationenhaus

(CC BY 2.0) by Rolands Lakis – flickr.com

Dass Ödipus im eigentlichen Sinne der Erfinder des Mehrgenerationenhauses ist, ahnte er damals nicht, als er vor der Sphinx stand. Auch in die Geschichte ging er mehr durch den nach ihm benannten Komplex ein, als durch seine eigentliche geistige Leistung. Diese nämlich war, das Rätsel der Sphinx zu lösen, das sie allen Menschen stellte, und das da lautete, um welches Wesen es sich wohl handele, das am Morgen vierfüßig, am Mittag zweifüßig und am Abend dreifüßig wäre. Ein Wesen, das aber genau dann, wenn es die meisten Füße bewege, am schwächsten und langsamsten wäre.

Ödipus’ richtige Antwort war: Dies sei der Mensch, der zu Beginn des Lebens, als Kind, sich auf zwei Füßen und zwei Händen fortbewege, in der Mitte, sozusagen als gestandener Mensch auf zwei Füßen zu Gehen gelernt habe, und am Lebensende, wenn er alt sei, den Stock als drittes Bein, sozusagen als Gehhilfe nähme.

Des Rätsels Lösung nun beschäftigt in unserer Zeit nicht nur Bauherren, Stadtplaner und Soziologen, sondern vor allem auch Gereontologen, die es für ratsam halten, alte Menschen wieder ins Sozium zu integrieren, was durch den Bau von Mehrgenerationenhäusern wohl allen Beteiligten zu Gute käme. Und Hand aufs Herz – welches Kind liebt sie nicht, die Märchen der Oma oder den selbst gebackenen Streuselkuchen. Wer erinnert sich nicht an die gern an die Reiseberichte des Opas, der auch gleich noch den Atlas zur Hand hatte oder einen alten Wimpel seiner Lieblings-Fußballmannschaft. Wer kennt sie nicht, die geduldige Ruhe der alten Tante, die noch sticken, häkeln und stricken kann. Zudem gibt es sie ja nun auch immer zahlreicher, die junggebliebenen Alten, die noch “Twisten” und Tango tanzen können. Und all diese Talente sollen nun im Altersheim verkümmern?

Weit gefehlt – die moderne Patchworkfamilie schreit förmlich nach neuen Wohnkonzepten. Und das Zauberwort heißt: Mehrgenerationenhaus. Vielleicht wäre dann das umstrittene Betreuungsgeld für Kinder, die zu Hause betreut werden, auch wirklich sinnvoll angelegt, wenn es dann auf “vier Beinen”, begleitet von “drei Beinen”, einmal munter um den Spielplatz auf dem hauseigenen Hof geht; kindgerecht und altersgerecht zugleich. Die mittlere Generation kann dann endlich wieder entspannen und die Alleinerziehenden werden jubeln. Lassen wir uns überraschen, was die Zukunft bringt!

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