Wer kennt es nicht: beim beliebten Memory-Spiel mit der ganzen Familie wird vom Gewinner häufig behauptet, er würde ein fotografisches Gedächtnis haben. Ja, heißt es dann, der kann sich das genau merken, wo welches Bild schon mal aufgedeckt wurde. Zudem ist häufig bei Kindern die Fähigkeit, ein Bild detailgetreu im Gedächtnis zu behalten, vorhanden und geht mit der Zeit verloren. Aber diese umgangssprachliche Verwendung des Begriffs fotografisches Gedächtnis entbehrt aus der Sicht der Wissenschaft jeglicher Grundlage.
Der Wissenschaftler spricht im Rahmen der Gedächtnispsychologie über ein fotografisches Gedächtnis. In diesem Zusammenhang wiederum werden zwei Fremdworte fallen. Ikonisches Gedächtnis und eidetisches Gedächtnis. Nun, das fotografische Gedächtnis wird definiert als die sensorische Fähigkeit, sich nicht nur sämtliche Details eines Fotos präzise zu erinnern, sondern sogar eine Situation genauestens wiederzugeben, samt Gehörtem, Gespürtem, Düften und sämtlichen visuellen Details. Und diese Fähigkeit ist laut wissenschaftlicher Definition gekoppelt an die Kapazität, nach unbegrenzt langer Zeit ‘auf Knopfdruck’ dieses Erlebnis, exakt in Worten wieder geben zu können. Allerdings müssen, wenn es sich tatsächlich um ein echtes fotografisches Gedächtnis nach wissenschaftlicher Definition handelt, diese beiden Fähigkeiten der wirklichkeitsgetreuen Aufnahme und Wiedergabe der Situation getrennt sein von Bedeutungszuweisungen und Schlussfolgerungen. Auch muss die Wiedergabe zu jedem beliebigen Zeitpunkt, sowie wiederholt erfolgen können.
Ausschließlich diese Definition für fotografisches Gedächtnis wird mit dem Fachwort eidetisches Gedächtnis bezeichnet. Das ikonische Gedächtnis hingegen bezieht sich lediglich auf ein Kurzzeitgedächtnis in diesem Sinne, sprich ein kurzfristiges Abrufen und Wiedergeben Können der wahrgenommenen Situation, ohne sie mit persönlichen Gefühlen und Gedanken zu behaften.
Diese Fähigkeit steht übrigens im kompletten Gegensatz zum episodischen Gedächtnis, einem Bereich aus dem Begriff Langzeitgedächtnis, in dem Situationen und innere Bilder aus der Vergangenheit ausdrücklich zusammen mit den eigenen Emotionen und Gedanken dazu abgespeichert sind und unwillkürlich hochkommen. Wir nehmen das Einsetzen des Langzeitgedächtnisses besonders bei alten Menschen wahr. Diese haben zwar häufig mit verstärkt auftretender Vergesslichkeit bezüglich Alltagskleinigkeiten zu kämpfen, fühlen sich jedoch an Leute, Dinge und Erlebnisse aus ihrer eigenen Kindheit erinnert.
Das eidetische Gedächtnis ist unterdessen ein fotografisches Gedächtnis-Konzept, das von einigen Wissenschaftlern angezweifelt wird. Besonders in der Abgrenzung zu sogenannten Mnemotechniken, den Methoden also, die das Gedächtnis trainieren.